Warum sind die Strompreise so hoch?

Warum sind die Strompreise so hoch? Werden die Strompreise 2022 weiter steigen? Und was haben die Börsenpreise mit dem Strompreis für Verbraucher zu tun? Diese und weitere Fragen zum komplexen Thema Strompreise wollen wir in diesem Artikel möglichst einfach beantworten.

Das Wichtigste in Kürze:

Die Nachfrage nach Energie stieg mit dem Ende der Coronabeschränkungen und der damit verbundenen wirtschaftlichen Erholung vieler Unternehmen. Gleichzeitig ist das Energieangebot weltweit gesunken. Treffen hohe Nachfrage auf ein geringes Angebot steigen die Preise an der Börse.

Die Strompreise für Verbraucher ziehen an, weil sowohl der steigende Börsenpreis als auch die Verteuerung der CO₂-Emissions-Zertifikate einen direkten Einfluss auf einen Teil des Endkundenpreises haben.

Börsenstrompreis: Warum ist Strom an der Börse so teuer?

warum ist strom so teuer vorschauStrom ist teuer wie noch nie und scheint täglich teurer zu werden. An den Strombörsen jagen die Preise von einem Rekord zum nächsten. Versorger, die kurzfristig Strom benötigen, mussten im Dezember am Spotmarkt der Strombörse im Schnitt 222 Euro pro Megawattstunde zahlen. Der Preis ging Ende Dezember zeitweise sogar auf 620 Euro pro Megawattstunde. [620 € pro MWh = 62 Cent pro Kilowattstunde]. Am Terminmarkt der Strombörse in Leipzig, wo Strom für die kommenden Jahre gehandelt wird, steht der Preis für 2022 bereits bei 188 Euro je Megawattstunde [Phelix Base EEX, Stand 09.1.2022].

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Spotmarkt Börse: Strompreis für den aktuellen Tag und den Folgetag, EPEX
Terminmarkt Börse: Strompreis für Energie, die in der Zukunft benötigt wird, EEX
OTC-Markt: Over-the-Counter [über die Ladentheke], direkte Verträge, ausserhalb der Börse gehandelter Strom
So funktionieren Stromhandel und Strombörse

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Gründe für den Preisanstieg an der Strombörse

    1. Die Wirtschaft hat sich nach dem coronabedingten Einbruch wieder erholt und muss ihren hohen Energiebedarf decken.  Die internationale Nachfrage nach Rohstoffen – insbesondere nach Erdas in Asien – ließen die Preise für diesen Rohstoff in nur einem Jahr um 470% steigen.
    2. Erneuerbare Energien produzierten etwa 5% weniger Strom in 2021. Diese Stromlücke musste mit teurem Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken geschlossen werden.
    3. Die Preise für Emissionszertifikate, die bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen und dem damit verbundenen CO₂-Ausstoß gekauft werden müssen, stiegen wegen der hohen Nachfrage um 155%.

“Die Strompreise im Großhandel werden gleichermaßen durch den hohen Gaspreis und den CO₂-Preis im EU-Emissionshandel nach oben getrieben.” Linda Marie Holm, Strom-Report.de

Der Strommix beeinflusst den Strompreis

strommix beeinflusst börsen strompreis

An der Börse gehandelter Strom stammt aus verschiedenen Energiequellen – dem Strommix. Der Preis der einzelnen Energieformen und ihr Anteil am Strommix beeinflussen damit direkt den Strompreis. Der deutsche Strommix bestand 2021 aus 46% Erneuerbaren Energien und 54% Fossilen Energien, wobei 10% des Stroms aus Gaskraftwerken und 30% aus Kohlekraftwerken stammte.

Ganz einfach erklärt: Es entsteht eine Stromlücke

Der Anstieg der Preise an der Börse ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren und auch das Wetter spielt eine Rolle. Da im Herbst weniger Wind wehte, lieferten die Windkraftanlagen nicht so viel Strom wie in den Jahren zuvor. Energie aus Photovoltaik-Anlagen ist im Winter auch Saison bedingt weniger verfügbar als im Sommer. Wenn Erneuerbare Energien sehr viel Strom liefern, ist Strom an der Börse günstig und es gibt ihn manchmal sogar zu Negativpreisen. Erzeugen Sonne, Wind und Co. weniger Strom, müssen fossile Kraftwerke einspringen, die nur sehr teuer produzieren können.

Solche Stromlücken entstehen auch wenn die Nachfrage in anderen Ländern Europas besonders hoch ist, wie z.B.  zuletzt in Frankreich, wo ein fast ein Drittel der Atomkraftwerke wegen Revisionsarbeiten oder Problemen im Dezember nicht am Netz war.

Lücke mit teurem Strom schließen – Hohe Kosten für Gas und CO₂ treiben Strompreise

Diese Stromlücke muss also geschlossen werden. Um den benötigten Strom zu produzieren, müssen die Erzeuger teure Kohle- und Gaskraftwerken hochfahren.

Gaspreisentwicklung
Trotz größerer Gaslieferungen aus den USA im Dezember wächst die Sorge vor einem möglichen Gas-Engpass gegen Ende des Winters. Die Gaszufuhr über die Pipeline Jamal von Russland nach Europa ist zurzeit unterbrochen und mit einer Erhöhung der Liefermengen ist nicht zu rechnen. Russland bestreitet Druck zu machen, um die Genehmigung von Nord Stream 2 zu beschleunigen, doch die Weigerung Gazproms, im Januar zusätzliche Kapazitäten zu buchen, treibt die Gaspreise weiter an.

Gas hat sich seit Mitte 2021 extrem verteuert [+ 470%].  Im Januar kostete eine Megawattstunde Erdgas im Durschschnitt 20 Euro. Im Dezember waren das bereits 120 Euro pro Megawattstunde [12 Cent pro Kilowattstunde]. Eine Gaslieferung aus den USA hat die Preisentwicklung am Gasmarkt etwas gedämpft, doch in der ersten Januarwoche 2022 wurden noch immer 79 Euro berechnet.

Wegen der extrem gestiegenen Gaspreise nahm die Stromerzeugung aus Erdgas Ende des Jahres ab. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung von Braun- und Steinkohle und das trotz steigender Preise für CO₂-Zertifikate.  Da bei der Verstromung von Kohle besonders viel CO₂ erzeugt wird, stieg der Bedarf nach Emissionszertifikaten um 155% in nur 12 Monaten und das macht Kohlestrom sehr teuer. Bei Erzeugung einer Megawattstunde Braunkohlestrom wird etwa 1,1 Tonnen CO₂ freisetzt. Der Zertifikatspreis lag im Dezember bei 79 Euro pro Tonne, was Zusatzkosten beim Strompreis im Dezember von 8,7 Cent pro kWh verursachte.

Fazit: Weil sehr viel Strom benötigt wird und weniger Ökostrom ins Netz geht, müssen die Energieproduzenten teuren Strom in ihren Kohle- und Gaskraftwerken erzeugen. Hier könnte man jetzt schlussfolgern:  Hätten wir mehr Wind- und Solaranlagen, wäre der Strom billiger.

Und was haben die Börsenpreise mit dem Strompreis für Verbraucher zu tun?

Strompreise Spotmarkt Deutschland Chart

Auch für Endkunden sind die Preissprünge bei Strom und Gas schwindelerregend. Stromanbieter kündigen Verträge, stellen die Belieferung ein oder heben die Preise heftig an. Bereits 410 Versorger haben angekündigt, in diesem Jahr die Preise um durchschnittlich 68% zu erhöhen. Hier geht es um mehr als 1.100 Euro pro Jahr Mehrkosten für einen Familienhaushalt [mit 5.000 kWh p.a.]. Wie konnte es dazu kommen?

Die meisten Energieversorger beziehen ihren Strom über langfristige Verträge, oft mehrere Jahre im Voraus, um Preisschwankungen zu vermeiden. Entweder sie kaufen den Strom direkt vom Stromerzeuger [OTC Handel] oder an der Strombörse.

Verbrauchen die Kunden dieses Stromanbieters plötzlich mehr Energie, als der beim langfristigen Einkauf einkalkuliert hat oder nimmt ein Versorger plötzlich 10.000 neue Kunden auf, weil ein anderer Anbieter insolvent wird, müssen diese zusätzlichen Strommengen kurzfristig eingekauft werden. Auch hier hat der Stromanbieter die Wahl. Er kann an der Börse einkaufen, am sogenannten Spotmarkt. Dieser Strom kostete im Dezember im Schnitt 22 Cent pro Kilowattstunde kWh. Kauft der Versorger seinen Strom wieder direkt bei seinem Stromproduzenten, orientiert sich dieser Lieferant aber auch an den aktuellen Börsenpreisen. Viel günstiger wird es also nicht.

Warum steigen die Strompreise bei vielen Anbietern so extrem?

Der Strompreis für Haushaltskunden in Deutschland besteht aus 3 Kostenblöcken. Der Energiekostenanteil, der vom Börsenpreis beeinflusst wird, machte im letzten Jahr etwa ein Viertel des Strompreises aus.  Die anderen Dreiviertel des Preises sind Netzentgelte, Abgaben, Umlagen und Steuern.

Beispiel Stromrechnung

Ein Stromanbieter, der im Dezember 10.000 Neukunden von Stromio übernehmen musste, hat den zusätzlich benötigten Strom an der Börse für durchschnittlich 22 Cent pro Kilowattstunde eingekauft. Wenn er diesen Energiepreis an seine Kunden weiterreicht, kommen weitere 8 Cent für Netzentgelte dazu. Diese Entgelte bekommen Netzbetreiber für den Transport des Stroms bis zur Steckdose. Der gößte Kostenblock sind aber Steuern und Abgaben, die aufgeschlagen werden. Im Rechenbeispiel für Dezember wären das 11 Cent pro Kiowattstunde [Diese Kosten verringern sich ab Januar etwas, weil die EEG-Umlage um knapp 3 Cent sinkt]. Und ganz zum Schluss fällt noch die Mehrwertsteuer an – auf ALLE Preisbestandteile. 19 Prozent zahlen Haushalte für jede verbauchte Kilowattstunde. In unserer Beispielrechnung sind das 8 Cent zusätzlich.

Kundenbestrafung durch überteuerte Neukundentarife?

Nach dem Lieferstopp durch Stromio sind Hundertttausende Kunden in die Ersatzversorgung gefallen und sollen um ein Vielfaches höhere Preise zahlen als Bestandskunden. Die Verbraucherzentrale NRW kritisiert die Ungleichbehandlung und vermutet eine Bestrafung oder Schikanierung von Kunden, die den Anbieter gewechselt haben. Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, erklärt: „Es ist Fakt, dass die Beschaffungskosten gestiegen sind. Doch damit lassen sich die teilweise extrem hohen Preise einiger Grundversorger nicht rechtfertigen. Hier liegt der Verdacht nahe, dass Betroffene abgestraft werden sollen, die in der Vergangenheit den Grundversorgern den Rücken zugekehrt haben.“ Die VBZV ist der Ansicht, dass der Neukunden-Anteil nur einen geringen Zuwachs zum Kundenstamm der Grundversorger bedeute, sodass sich die Auswirkungen auf die Beschaffungsstrategie in Grenzen halten sollte. Der Fall Stromio im Detail

Bundesregierung behält die Entwicklung im Blick

Stephan Gabriel Haufe, Pressesprecher für das Bundesumweltministerium meldet auf Twitter: „Wenn einzelne Stromanbieter pro kWh jetzt mehr als 70 oder gar 90 Cent verlangen, dann halte ich das für extreme Ausschläge. Auch, wenn Beschaffungskosten steigen, sind derart horrende Preiserhöhungen nicht gerechtfertigt“, so die #Verbraucherschutz-Ministerin & fügt hinzu. Hier sind die Verbraucherzentralen & ggfs. auch die Gerichte gefragt, genau hinzuschauen. Wir werden die gesamte Entwicklung beobachten und in der Bundesregierung prüfen, ob weiterer Handlungsbedarf besteht,“ kündigt Verbraucherschutz-Ministerin @SteffiLemke an und kritisiert außerordentliche Vertragskündigungen scharf.

Billiganbieter haben ein Problem mit den gestiegenen Börsenpreisen

Nicht alle Stromanbieter haben eine langfristige Beschaffungsstrategie. Das Geschäftsmodell vieler Strom-Discounter basiert darauf, Strom ausschließlich kurzfristig am Spotmarkt der Börse einzukaufen. Sie sichern sich ihr Stromkontingent, wenn der Strom billig ist. Doch diese Zeiten sind vorbei, weshalb diese Billiganbieter nun zu den derzeit extrem hohen Preisen an den Energiebörsen kaufen müssen. Die Verträge der Discounter rechnen sich unter diesen Umständen oftmals nicht mehr. Preiserhöhungen wären ein Ausweg, aber sie können diese hohen Einkaufspreise nicht an die Kunden mit Preisgarantie weitergeben. Die Lösung für viele scheint nur der Lieferstopp zu sein, obwohl dieser rechtswidrig ist.

Wie stark werden die Strompreise 2022 für Haushaltskunden steigen?

Wie lange die Strompreise an den Handelsplätzen noch so hoch bleiben, ist ungewiss. Ein windreiches Jahr mit viel Sonne würde für Entspannung am Markt sorgen. Wenig Hoffnung gibt es bei den Gaspreisen, denn die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 verzögert sich. Langfristig sehen Experten eine Entscheidung zur Inbetriebnahme als Trendgeber für den Gasmarkt.
Aufgrund der hohen Gaspreise bleibt die Kohleverstromung weiter wirtschaftlich und treibt die Emissionspreise an. Auch der Beschaffungsschef der #Stadtwerke Kassel ist sich sicher: „Wir müssen uns am Strommarkt auf ein ganz neues Niveau einstellen… . Es kann gut sein, dass wir zum Teil hohe dreistellige, an manchen Tagen sogar vierstellige Strompreise pro MWh erleben werden….”

Bleiben die Preise längerfristig auf so hohen Niveau, werden die Verbraucherpreise ebenfalls mitziehen. 410 der knapp 1000 Stromanbieter haben die Strompreise für 2022 bereits angehoben. 68 Prozent Aufschlag wird im Schnitt verlangt, was einen 4-Personen-Haushalt mit 1.100 Euro zusätzlich belastet.

Die Stromanbieter reagieren unterschiedlich auf die Preisentwicklung, doch die Anzahl an Unternehmen, die freiwillig auf weitere Kunden verzichtet, wächst.  Große Stromanbieter wie eprimo oder Green Planet Energy nehmen aktuell keine neuen mehr Kunden an. Auf den Webseiten findet man Hinweise, dass es für Neukunden gerade keine Angebote gebe.

Werden Verbraucher 2022 bei den Strompreisen entlastet?

Eine Unterstützung beim Energiepreis-Anstieg durch die Ampel-Regierung ist in Arbeit. Im Koalitionsvertrag wurde ein sogenanntes Klimageld angekündigt. Laut Umweltbundesamt wurden im letzten Jahr 12,5 Milliarden Euro durch den Verkauf von Emissionsrechten eingenommen und dieses Geld soll nun zurück an die Bürger fließen. Wann diese finanzielle Entlastung kommt, ist unklar und die Höhe ebenfalls offen.
Ende 2022 soll die Abschaffung der EEG-Umlage den Strompreis senken. Aber ob 3,7 Cent pro Kilowattstunde einen Unterschied bedeuten, ist fraglich. Bereits die aktuelle Senkung zum 01.01.2022 um 2,8 Cent wurde von den steigenden Beschaffungskosten überkompensiert.

Infografik: Warum sind die Strompreise so hoch?

Warum sind die Strompreise so hoch, Grafik

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Wichtige Fragen zum Strompreis

Habe ich ein Recht auf Sonderkündigung bei Strompreiserhöhung?

Das Sonderkündigungsrecht bei Stromverträgen besteht auch bei Preiserhöhungen aufgrund von Abgaben, Umlagen und Steuern. Dies hat der Bundesgerichtshof [BGH] in seinem Urteil vom 5. Juli 2017, [AZ: VIII ZR 163/16] bestätigt. Wenn Ihr Anbieter den Strompreis erhöht, können Sie kündigen, auch wenn der Vertrag eigentlich noch länger läuft.
Sobald Sie von der Preiserhöhung erfahren, kündigen Sie und berufen Sie sich auf Ihr Sonderkündigungsrecht [§ 41 Abs. 3 EnWG]. Diese Kündigung schicken Sie per Einschreiben mit Rückschein. In der Regel haben Sie nur 14 Tage Zeit.
Ihr Stromanbieter ist verpflichtet, Sie 6 Wochen im Voraus zu informieren, Sie auf Ihr Sonderkündigungsrecht hinzuweisen und die Strompreiserhöhung in einer offiziellen Mitteilung verständlich und transparent anzukündigen.